Helen - Dorothea Neukirchen:
Lena - Hildegard Lena Kuhlenberg:
Erich - Christian Ingomar:
Katja - Claudia Vanessa Dalchow:
Axel - Marc Zabinski:
Gedanken zum Thema: Dorothea Neukirchen: Meine DDR Meine frühesten Kindheitsjahre habe ich in Thüringen verbracht, in einem Ort, den ich nach der Wende noch einmal aufgesucht habe. Meinen Kletterbaum habe ich wieder erkannt, riesig geworden, und die Scheunenwand, an der die sauren Weintrauben wuchsen. Ich glaube, es war eine glückliche Zeit für mich. Doch meine Mutter wollte weg von den Russen, zurück in den Westen. Jedenfalls gab es zwei Fluchtversuche. Der erste mißglückte. Mein Opa, der mich im Stockfinsteren an der Hand hatte, fiel mit mir in einen Graben. Ich schrie. Das war gefährlich. Wir traten den Rückzug an. Der zweite Fluchtversuch aber klappte. So kam ich mit vier Jahren im Westen an. In einem "freien" Kuhstall ruhten wir uns von den Strapazen aus. Meine späteren Eindrücke stammen von Aufenthalten in Berlin. Als Schülerin habe ich meine Klassikerausgaben "drüben" gekauft, zum Tauschkurs von eins zu vier, leinengebundene Schätze, die ich heute noch h&uulte. Damals stieg man noch einfach in die fast leere S-Bahn und fuhr für 20 Pfennige gen Osten. Dass die S-Bahnen auch in den anderen Richtungen leer waren, hatte mit dem Boykott der Kalten Kriegszeit zu tun. Vor dem Mauerbau wurde das gesamte S-Bahnnetz vom Osten betrieben. Deshalb nahmen ordentliche Bürger die langsameren und teureren Busse. Man musste es aushalten, scheel angesehen zu werden, wenn man einen S-Bahnhof betrat. Auch nachdem die Teilung der Stadt durch die Mauer besiegelt wurde, bin ich immer mal wieder drüben gewesen. Ich habe die Strapazen der Warterei und der peniblen Kontrollen ertragen, um die Museumsinsel zu besuchen oder Inszenierungen im Schiffbauerdamm anzusehen. Ich erinnere mich an den Geruch nach Karbol, der in geheimnisvoller Weise alles durchzog, und daran, dass das Essen im HO - Restaurant deftig, billig und Hunger stillend war, aber damit erkauft werden musste, dass man demütig vor leeren Tischen warten musste, bis einem ein Platz zugewiesen wurde. Lang dauernde Theatervorstellungen waren ein Problem. Man durfte sein Besuchslimit nicht überziehen, wenn man nicht im gläsernen Palast der Tränen hängen bleiben wollte. Entsprechend groß war die Erleichterung, wenn man es mal wieder geschafft hatte. Im Osten fiel mir nie auf, dass es dort wenig Farbe und wenig Lichter gab. Erst wenn ich zurück kam nach Westberlin, war ich jedesmal wie erschlagen von der Lichterflut Und dann die Transit Strecke. Ich erinnere diese Mischung von Angst und mich heimlich amüsieren über die Waffen tragenden Milchbubis, wenn sie den Wagen durchsuchten. Aber ich antwortete lammfromm auf alle Fragen und verbot mir meine Neigung zu provokativen Äußerungen. Ärger wollte ich nicht riskieren. Was für ein Gefühl von Freiheit, wenn ich dann jenseits der Schlagbäume wieder aufs Gaspedal treten durfte. Kein Geratter der Asphaltplatten mehr unter den Rädern und keine müden 110 kmh. Ein Jahr vor der Wende habe ich einen Dokumentarfilm über den berühmtesten Drehbuchautor der DDR gemacht und versuchte zu ergründen, wie das war mit seiner Doppelrolle als Funktionär und Autor. Er war privilegiert, machte einen ziemlich freien Eindruck (er hatte eine Altbauwohnung, ein Auto, eine Datscha und durfte sogar in den Westen reisen) aber vor allem hatte er Muße. Die Uhren drüben gingen langsamer. Niemand musste nach dem nächsten Job hecheln. Alle registrierten Künstler bezogen ein Grundgehalt, das die niedrigen Lebenskosten deckte. Tatsächlich verkaufte Bücher oder Hörspiele brachten schönes Extra Geld. Ostkünstler konnten es sich leisten, den nächsten Stoff reifen zu lassen. Auch wenn sie ein Jahr lang gar nichts schrieben, kam keine Existenzangst auf. Das machte mich beinahe neidisch. Die Kehrseite waren Zensur und zwei Klassen in der angeblich klassenlosen Gesellschaft. Wer Zugang zu Devisen hatte, gehörte zur Oberschicht. Als westdeutsche Filmemacherin war ich gezwungen, in First Class Hotels zu wohnen, in denen man mit Ostgeld nicht mal ein Bier bezahlen konnte. Im Ostberliner Palasthotel kamen mir dann meine Papiere abhanden. Drei Monate später wurden sie mir zugeschickt, angeblich waren sie hinter einem "selten abgerückten Möbelstück" wiedergefunden worden. Für die Dreharbeiten wurde mir ein Aufnahmeleiter zugeteilt, der sich höheren Ortes darüber beklagte, dass ich ihn wie einen Aufnahmeleiter eingesetzt habe. Das kam als Beschwerde bei meinem Westsender an. So erfuhr ich, daß er gar kein Aufnahmeleiter war, sondern ein Aufpasser im Dienste der Stasi. Im Frühjahr 1989 machten wir eine individuelle Familienreise durch die Mark Brandenburg bis nach Rügen. Wir fanden es komisch, dass uns an der Grenze ZEIT und SPIEGEL abgenommen wurden. Wir bestaunten die altertümlichen Kohlehaufen, mit denen das für Besucher nicht zugängliche Schloß Rheinsberg beheizt wurde. Wir genossen die leeren Straßen und die unberührte Landschaft. Wir waren weit und breit die einzigen Touristen. Sogar die spektakuläre Wanderung über die Kreidefelsen gehörte uns ganz allein. Im Frühjahr 1990, als die Mauer schon Löcher hatte, Ost und West aber offiziell noch nicht vereinigt waren, hatte ich Motivbesichtigung für einen Spielfilm auf dem "Todesstreifen". Die Fußspuren, die wir im Sand hinterließen, wurden von Ostsoldaten hinter uns säuberlich weg gefegt. Den Zugang zu den Wachtürmen beschaffte uns ein zum "Presseoffizier" mutierter Offizier der NVA. Er zeigte sich äußerst zuvorkommend und nahm auf, wo wir unsere Löcher für den Film in die Mauer schlagen wollten. Die Stellen seien leicht zu merken, meinte er, alles sei durchnumeriert, wie bei der KZ Architektur. Ende Mai, als wir drehten, gab es schon übermütige Fahrradfahrer auf dem Asphaltweg, der ehemals den Militärjeeps vorbehalten war. Im Sommer 1990 fuhr ich quer durch Thüringen und den Harz. Dort hießen Kinos noch Lichtburgen. Ich wurde mißtrauisch beäugt. Und wenn ich zurück schaute, wurden die Fenster rasch geschlossen. Am Tag der D-Mark Einführung fotografierte ich eine junge Frau, die sich ein blaues Auge gemalt hatte und darüber einen Hundertmarkschein drapiert. Ein besseres Symbol für die Wiedervereinigung kann ich mir auch heute nicht denken. Im Sommer 1991 war der früher bedrohliche Sowjetpanzer an der Berliner Autobahn rosa angestrichen und der Mauerverlauf nur noch daran zu erkennen, dass die Straßenschilder im ehemaligen Osten dünnere Buchstaben hatten. Alle Machtverhältnisse hatten sich verschoben. Ich traf einen arbeitslosen NVA-Offizier, der den Großglienecker Müll sortierte und eine Lehrerin, die zur Wendezeit eine NVA Kaserne besetzt und für Schulräume requiriert hatte. Daraufhin war die mutige Frau in der ersten freien Wahl zur Bürgermeisterin gewählt worden. Doch schon ein halbes Jahr später fiel sie einer Intrige des örtlichen Pfarrers zum Opfer, der mit ihren Plänen für gemeinnützigen Wohnungsbau nicht einverstanden war: Er wollte von der Wende profitieren und den kirchlichen Grund und Boden teurer verkaufen. |